Risikoethik (200002) | Wahrscheinlichkeitsargumente (200003)
Im Wintersemester 2024/25 liegt der Schwerpunkt der Vertiefungsseminare auf zwei zusammenhängenden Fragen:
- Welche ethischen Herausforderungen eröffnen sich bei risikobezogenen Abwägungen auf Basis statistischer Erkenntnisse ?
- Was zeichnet aus philosophischer Sicht Argumente aus, in deren Zentrum statistische Erkenntnisse und die auf sie bezogenen Wahrscheinlichkeitsaussagen stehen?
Dazu gebe ich zwei Seminare, zum einen zur Risikoethik und zum anderen über Wahrscheinlichkeitsargumente.
Risikoethik. Zur Ethik statistischer Argumentationen (200002)
Waren Fragen zum Umgang mit Risiko vor drei Jahrzehnten noch auf den Umgang mit komplexen Hochtechnologien beschränkt, scheinen wir uns mittlerweile in einer allgegenwärtigen Risikoblase zu befinden. Insofern sind die ethischen Fragen der Risikopraxis nicht mehr nur Gegenstand der Technikphilosophie und -ethik, sondern vieler Felder der angewandten Ethik. Um Beispiele für solche Abwägungsfragen zu nennen, sei an die Einordnung von Impfrisiken (Corona-Pandemie), die Deklaration der Bauwerkssicherheit (etwa Brücken), die Einschätzung von Hackerangriffen, die soziale Sprengkraft extremer politischer Strömungen usw. erinnert. In all diesen Problemlagen geht es darum, Risiken rational einzuschätzen. Dabei geht es darum, Leerstellen wissenschaftlicher Erkenntnis, individuelle Ängste und einen potenziellen Nutzen in Bezug zu konkreten Risikopraxen nachzuvollziehen und systematisch zu bewerten. Im Seminar werden wir uns dazu mit einem klassischen Einführungswerk in die Risikoethik beschäftigen. In diesem werden von den Autoren grundlegende Begriffe analysiert, Standardansätze der Risikoethik kritisch vorgestellt und an beispielhaften Handlungssituationen diskutiert. Im Fokus steht dabei ein kontraktualistischer Ansatz, von dem eine angemessene politische Relevanz behauptet wird.
Literatur
2012 Julian Nida-Rümelin, Johann Schulenburg und Benjamin Rath: Risikoethik
Modulzuordnung und Leistungsanforderungen
Modulzuordnung gemäß der Studienordnung im Zertifikatsstudiengangs „Forschungsethik“
- Zertifikatsstudiengang Forschungsethik / Nebenfach Informatik
- Modul Grn M2GS 01 und Grn M2NLT 01(Hausarbeit)
- Fachergängzung
- Modul Forschungsethik und Wissenschaftsethos philFOEFE-01a (Referat)
- Masterstudiengang PWU
- GRN-Modul Philosophie und Ethik des Forschens grnpwu-01a (Modulteilleistung)
Grundsätzlich ist das Seminar auch für Studierende aller Fakultäten geöffnet.
Anmeldung und Seminarplan
Die Sitzungen finden jeweils mittwochs von 10:15 – 11:45 im Seminarraum LS1 – R.104a statt. Bitte schreiben Sie sich im Vorfeld im entsprechenden OLAT-Kurs ein. Nach vorläufiger Planung werden wir folgende Inhalte behandeln:
Sitzung | Thema |
23.10. | Einführung und Vorstellung. |
30.10. | Risiko und verwandte Begriffe (Kap. 1) |
06.11. | Risikosituationen (Kap. 2.1-2.3) |
13.11. | Risikosituationen (Kap. 2.4-2.6) |
20.11. | Paradigmen der Risikopraxis (Kap. 3) |
27.11. | Das Bayes’sche Kriterium (Kap. 4) |
04.12. | Weitere Entscheidungskriterien im Umgang mit Unsicherheit (Kap. 5) |
11.12. | Das Prinzip der Vorsicht (Precautionary Principle) (Kap. 6) |
18.12. | Kritik des Konsequentialismus (Kap. 7) |
08.01. | Eine deontologische Perspektive in der Risikoethik (Kap. 8) |
15.01. | Eine deontologische Perspektive in der Risikoethik (Kap. 9) |
22.01. | Kontraktualismus und Deontologie (Kap. 10) |
29.01. | Kontraktualistisch begründete Risikopraxis (Kap. 11) |
05.02. | Das Beispiel Fukushima |
Wahrscheinlichkeit. Eine wissenschaftstheoretische Einführung (Grn M2GS 01; Grn M2NLT 01) (200003)
Wahrscheinlichkeit ist das zentrale Konzept für den wissenschaftlichen Umgang mit dem Zufall. Die Wurzeln der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie reichen bis ins 17. Jahrhundert. Deren Phänomenbereich lag anfangs vor allem im Glücksspiel. Denn die Natur war das Anwendungsfeld der exakten Naturwissenschaft im Sinne Newtons, deren Erfolgsgeschichte gerade richtig Fahrt aufnahm. Und Kulturphänomene waren bis auf wenige Ausnahmen noch nicht einmal Gegenstände systematisch-wissenschaftlicher Betrachtung. Im Seminar wollen wir nun mit Ian Hacking der These nachgehen, dass die Spielarten der amtlichen Statistik – etwa zur Bevölkerungsentwicklung – einen entscheidenen Anstoß für die entsprechende statistische Erforschung von Realphänomenen gegeben hat. Von ihr ausgehend wurden mehr und mehr Werkzeuge der klassischen Wahrscheinlichkeitstheorie zur Lösung von kultur- und naturwissenschaftlichen Problemstellungen herangezogen, wodurch sich die Theorie sukzessive ausdifferenzierte. Mehr noch: Mit Hacking lässt sich sagen, dass die Welt der modernen Wissenschaft eine des Zufalls ist, dessen übergeordnete Gesetzmäßigkeiten es zu erforschen gilt. Es ist genau diese Abkehr von der Vorstellung einer deterministischen Welt, die die modernen Wissenschaften in ihrem Wesenkern auszeichnet. Dies ist jedoch einem großen Teil der Bevölkerung nicht wirklich bewusst oder, wenn doch, wird von ihm oft missinterpretiert. Es ist daher wichtig, Studierenden aus einer wissenschaftsphilosophischen Perspektive die erkenntnistheoretischen und kommunikativen Herausforderungen zu verdeutlichen. Dazu werden wir: erstens den wichtigen Entwicklungsschritten auf historisch-systematische Weise nachgehen und zweitens die spezifische Argumentationspraxis dieses Denkens (Hacking: style of reasoning) genauer analysieren.
Modulzuordnung und Leistungsanforderungen
Modulzuordnungen gemäß UnivIS:
- Modul Grn M2GS 01 oder Grn M2NLT 01, Vertiefung Wissenschaftsphilosophie
- GRN-Modul Philosophie und Ethik des Forschens im Masterstudiengang PWU: grnpwu-01a
- Nebenfach Informatik (Grn M2GS 01 oder Grn M2NLT 01)
Die modulbezogenen Leistungsanforderungen besprechen wir in der ersten Sitzungen. Bitte überlegen Sie sich im Vorfeld, welche Leistung Sie erbringen wollen. Insbesondere die Referatsvergabe sollten wir zeitnah abschließen. Dazu können Sie sich gerne bereits im Vorfeld per Email bei mir anmelden.
Literaturempfehlungen
- Ian Hacking: The Taming of Chance, Cambridge University Press, 1990
Anmeldung
Um am Seminar teilzunehmen, melden Sie sich bitte im gleichnamigen OLAT-Kurs an. Dort finden Sie auch die Textgrundlagen der einzelnen Sitzungen.
Seminarplan
Die Sitzungen finden jeweils dienstags, 18:00 – 19:30, im Raum LS1 – R.104a statt. Nach vorläufiger Planung werden wir folgende Inhalte behandeln:
Sitzung | Thema |
22.10. | Einführung und Formalia |
29.10. | The argument / The doctrine of necessity |
05.11. | Public amateurs, secret bureaucrats / Bureaux |
12.11. | The sweet despotism of reason / The quantum of sickness |
19.11. | The granary of science / Suicide is a kind of madness |
26.11. | The experimental basis of the philosophy of legislation / Facts without authenticity, without detail, without control, without value |
03.12. | By what majority? / The law of large numbers |
10.12. | Regimental chests / Society prepares the crimes |
17.12. | The astronomical conception of society / The mineralogical conception of society |
07.01. | The most ancient nobility / Cassirers’s thesis |
14.01. | The normal state / As real as cosmic forces |
21.01. | The autonomy of statistical law / A chapter from Prussian statistics |
28.01. | A universe of chance |
04.02. | Rückblick |